Kenia – Auf den Spuren der Wunderläufer

Man hört und liest viel über die kenianischen Wunderläufer, wie sie daheim im Hochland leben und trainieren, um dann die Laufszene zu dominieren. Irgendetwas muss dran sein, wenn sogar viele europäische Top-Läufer sich dort auf ihre Wettkämpfe vorbereiten. Eben dieser Mythos lockte uns und so meldeten wir uns bei interAir zu ihrer Kenia-Reise an.

Zunächst ging es nach Nairobi, wo wir von Oli am Flughafen in Empfang genommen wurden. Neben Oliver Hoffmann leiteten Jan Fitschen und Herbert Steffny die Reise. Zu letzteren beiden muss man nicht viel sagen, Oli dürfte den meisten jedoch kein Begriff sein. Allerdings ist auch er ein sehr guter Marathonläufer. Seine Bestzeit liegt knapp über 2:20 Std, so dass er schon oft für Pacer-Jobs im Elite Frauenfeld gebucht wurde.
Nach dem Empfang durch Oli ging es für eine Nacht ins Airport Hotel. Am nächsten Morgen stand schon der Schulbus von der St. Patrick’s Highschool aus Iten für uns bereit. In sehr langen 10 Stunden, während denen man schon einen schönen Eindruck von Kenia gewinnen konnte, ging es in die Läuferhochburg Iten. Dort bezogen wir, wie auch viele Spitzenathleten das Kerio View Hotel.

Iten liegt auf 2.400m, so dass unsere Laufreise einem kleinen Höhentrainingslager geichkommen würde. Neben Laufen ging es uns aber natürlich auch darum, Land und Leute kennenzulernen und möglichst in die kenianische Laufszene einzutauchen.

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Die ersten Tage lag der Fokus auf Akklimatisation. Einige sehr langsame Läufe sollten uns an die Höhe gewöhnen. Zugleich machten wir uns mit den Gegebenheiten, den sandigen, staubigen und mit Steinen versetzten Straßen vertraut. Zu Hause würde man solche Wege definitiv meiden…
Dennoch waren auch diese ersten Läufe alles andere als langweilig. Ständig gab es irgendwelche netten Erlebnisse wenn Kinder laut „Mzungu“ rufend angerannt kamen und einfach mal ein paar Kilometer mit uns mitrannten, natürlich ohne Sportklamotten und Laufschuhe. Oder wenn man hinter sich Schritte vernahm und dann ein Kenianer in langem Regenmantel und mit zwei Kanistern bepackt zu uns aufschloss und uns einen Kilometer zum nächsten Brunnen begleitete. Gemeinsam läuft es sich halt besser.

Während wir uns die ersten Tage einlebten, ließ Oli seine Connections spielen und organisierte für uns diverse Ausflüge. Man muss wissen, Oli kennt halb Iten. Er hat dort oben schon viele lange Trainingslager absolviert und gefühlt jeder kennt Oli „Marakwet“. Zudem hat er als Kenia-Experte auch die kenianische Lebensart verinnerlicht und lebte sie uns vor.

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So verwundert es auch nicht, dass wir die St. Patrick’s Highschool besuchen durften und die Führung von Brother Colm O’Connell, dem Begründer der kenianischen Laufszene, persönlich bekamen. St. Patricks ist ein reines Jungen Internat für derzeit 1.600 Schüler. Diese Highschool hat in all den Jahren zahlreiche Olympioniken, Olympiasieger, Weltmeister und Weltrekord­halter hervorgebracht, obwohl es keine Sportschule ist. Ebenso stolz ist man dort auf die Erfolge in Musik, Schach und Wirtschaft. Für die erfolgreichen Sportler aber, wird ein Baum gepflanzt und der Name wird in der Hall of Fame verewigt und jeder Schüler eifert diesen Vorbildern nach. Der Besuch dieser Schule war sehr beeindruckend, aber nur der Auftakt zu vielen weitern tollen Erlebnissen.

Insgesamt hat Sport, allem voran Leichtathletik, einen sehr hohen Stellenwert in Kenia, ist es doch die Chance, mit Erfolg seiner Familie oder sogar dem ganzen Dorf zu Wohlstand zu verhelfen. So wundert es auch nicht, dass ständig irgendwo Sportfeste stattfinden.

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Eine Woche nach unserer Ankunft war das auch in Iten der Fall. Am Samstag wurde während nebenan der Wochenmarkt lief auf mehrern Feldern Feldhockey gespielt und am Sonntag gab es einen Crosslauf der Schulen. Mehrere Schulen hatten ihre Athleten nach Iten gebracht, damit diese sich mit den anderen Schulen messen konnten.

Es war beeindruckend, mit wieviel Ehrgeiz und Elan die beschränkten Mittel wettgemacht wurden. Hockey wurde schließlich auf einer holprigen Wiese gespielt und genau dort fand auch der Crosslauf statt. Die meisten Schüler trugen aber keine Schuhe sondern rannten barfuß über die Strecke. Als Staffelstab musste auch mal ein einfacher Stock reichen. All das tat der sportlichen Leistung aber keinen Abbruch.

In der zweiten Woche wollten wir dann etwas mehr in die kenianische Laufszene eintauchen und vielleicht auch mal bei der einen oder anderen Trainingseinheit mitmachen oder es zumindest versuchen. Die Läuferwoche folgt nämlich immer dem gleichen Muster: Montag, 6 Uhr Lauftreff, Dienstag Vormittag Intervalle auf der Bahn, Mittwoch, 6 Uhr Lauftreff, Donnerstag, 9 Uhr Fahrtspiel und am Wochenende Wettkämpfe.

So fanden wir uns also am Montag in aller früh am Treffpunkt für den Dauerlauf ein. Bei einem kurzen Schwätzchen mit einem kenianischen Läufer bekamen wir schnell einen Eindruck zu seiner Motivation. Zunächst aber machte er sich sorgen um mich, weil ich bei etwas über 10 Grad nur mit einem Longsleeve am Treffpunkt stand. Als ich ihm erklärte, dass es ja gleich wärmer werden würde und es derzeit in Deutschland noch viel kälter sei, fiel er bald vom Glauben ab. Er selbst stand auch in langer Trainingshose und Laufjacke dort. Als er aber mitbekam, dass wir eigentlich nur zum Spaß laufen, war er komplett verwirrt. Klar, für ihn ist das Laufen die Möglichkeit, Gesellschaftlich aufzusteigen.

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Am Dienstag ging es für uns typisch kenianisch ins Kamariny Stadion zum Bahntraining. Als wir dort ankamen waren wir komplett sprachlos. Hunderte junge kenianische Athleten ballerten über die Laufbahn. Da Bahnlaufen mit dem was wir sonst so machen nicht viel gemeinsam hat, wurden wir erstmal von Oli herangeführt. Doch dann rannten wir mit den Kenianern mit. Zu unserer Überraschung wurden wir auch nicht als störend empfunden. Im Gegenteil. Ein kenianischer Trainer fing plötzlich an, mich von aussen zu coachen: „Close the gap!“. Wieder ein tolles Lauferlebnis, bei dem wir aber sehr viel roten Staub schlucken mussten…

Am Folgetag schlossen wir uns einem Ausflug in den Rimoi Nationalpark an. Diesen Ausflug hätte man sich wohl auch sparen können, denn eine klassische Safari gab es nicht. Stattdessen ging es auf der Suche nach Elefanten zu Fuß durch den Busch. Das war teilweise zwar ganz aufregend und schließlich standen wir tatsächlich einer Elefantenherde gegenüber, aber für diesen kurzen Blick mehrere Stunden durch die Hitze zu marschieren war es dann wohl doch nicht wert.

Um so mehr freute ich mich auf den Donnerstag. Das Fahrtspiel stand an. Für mich eines der Highlights auf das ich mich schon vor der Abreise gefreut hatte.
Mit dem Mutatu ging es zum Startpunkt. Auf der kurzen Fahrt machte sich Galgenhumor breit, schließlich waren alle echt nervös. Zum Glück waren wir schon vor einigen Tagen die Strecke abgelaufen, so dass es kein Problem sein sollte den Weg zu finden, wenn die Kenianer uns davonrennen würden. Für das Fahrtspiel sammelten sich so ziemlich alle Leistungsklassen ein. Von uns Europäern bis zu einer Boston Marathon Siegerin war alles dabei. Es würde also ein schnelles Fahrtspiel werden. Zunächst kam vom Wortführer eine Ansage zum Programm: „Today we run one one thirty!“. Zu deutsch: eine Minute langsam, eine Minute schnell und das ganze 30 mal. Die Topläufer würden in diesen 60 Minuten rund 15km absolvieren. Für unsere Gruppe war ein früherer Ausstieg geplant. Rund 7km müssten reichen.
Kurz vor dem Start wurde noch gebetet und dann gab es einen kurzen Uhren-Check ob auch alle das richtige Programm eingestellt hatten.

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Schließlich ging es gegen 9 Uhr los. Langsam. Sehr langsam. Und ja, das war sogar für uns sehr langsam. Aber nach einer Minute begannen die Uhren zu piepsen und es wurde schnell. Sehr schnell! In einer riesigen Staubwolke raste die Herde dahin. Die folgenden langsamen Abschnitte gestaltete ich in mäßigem Tempo, um wenigstens etwas Anschluss zu halten, aber nach 3 Wiederholungen war kaum noch jemand vor mir. Immerhin war es kein Problem die Strecke zu finden, weil ich doch immer wieder jemanden vor mir sah und die Strecke ja auch schon aus dem Training kannte. Nach rund 30 Minuten kam ich völlig erledigt an unserem Ausstieg an, wo der Rest unserer Reisegruppe, der nicht mitgelaufen ist, wartete. Nach und nach trudelten auch die anderen Teilnehmer unserer Reisegruppe völlig erldigt ein. Insgesamt gleicht dieses Fahrtspiel einem Ausscheidungsrennen. Die vielleicht 150 Läufer ballern los und am Ende bleibt eine Gruppe von weniger als fünf Läufern übrig. Der Rest fällt zurück bzw. steigt zwischendurch aus.
Auch wenn ich die meiste Zeit relativ einsam hinterrennen durfte war es ein faszinierendes Erlebnis. Dieses geballte Tempo ist einfach der Hammer.

Dieses sportliche Highlight der Reise sollte am nächsten Tag aber noch durch ein zwischenmenschliches Erlebnis getoppt werden.
Oli hatte für eine Grundschule, die ca 2,5 Stunden von Iten entfernt im Hochland liegt, neue Hindernisse bauen lasse, weil er mitbekommen hatte, dass dort im Training immer noch über Schulbänke gesprungen wird. Dabei reden wir aber von einer Schule, die bereits mehrere Olympioniken hervorgebracht hatte. Mit zwei Mutatus machte sich ein kleiner Teil unserer Gruppe auf den Weg zur Schule. Nach über 2 Stunden über teilweise holprige Dirt Roads bereuten wir es bereits, mitgefahren zu sein. Das änderte sich aber schlagartig als wir auf den Schulhof einbogen.

Es war ein Schulsportfest mit hunderten von Kindern zu gange und als man uns sah bildete sich eine riesige Kindertraube um uns, die fasziniert, verwundert und etwas ängstlich die Mzungus (weißen Männer) beäugten. Offensichtlich waren wir Weißen die Attraktion des Tages.
Wir wurden zu einem Willkommensgruß in das Büro des Schulleiters geführt und mussten uns alle ins Goldene Buch eintragen. Steffi wurde zur ersten Weißen, die sich in diesem Buch verewigte. Der Schulleiter erklärte uns dann, dass zuletzt vor sieben Jahren ein Weißer, ein Priester, in dieser Gegend war. Die meisten Kinder auf dem Schulhof hatten also noch nie einen Weißen gesehn. Viele wollten mal eine weiße Hand schütteln oder blonde Haare anfassen. Aber auch Skepsis und sogar Angst waren zu sehen. Es war eine spannende Erfahrung, die nur schwer in Worte zu fassen ist.
Beim Sportfest wurden nahezu alle Leichtathletik­disziplinen mit einfachsten Mitteln und Bedingungen, aber mit großer Leidenschaft und auf hohem Niveau betrieben. Auf einem holprigen Nebenplatz wurde auch Feldhandball gespielt. Eines hatten aber alle Schüler gemeinsam, das große Ziel olympische Spiele. Schließlich sollten auch wir Teil des Sportfestes werden und bei einem 800m Lauf starten. Niemand von uns hatte auch nur den Hauch einer Chance. Wir rannten alle hinterher. Freundlicherweise gab es für mich noch ein Lob vom Coach, dass ich doch gar nicht so schlecht gelaufen sei…
Nach ein paar Stunden mussten wir uns allmählich wieder auf den Rückweg machen, allerdings nicht ohne nochmal zahlreiche Kinderhände zu schütteln und mitgebrachte Laufschuhe und -kleidung zu verteilen. Steffi verschenkte ihre Schuhe an die Siegerin aus ihrem Lauf. Die leuchtenden Augen zeigten die große Freude, nur all zu verständlich, waren doch die meisten Kinder barfuß unterwegs.
Mit unbeschreiblichen Eindrücken ging es für uns zurück nach Iten.

Nach dem sensationellen Abschluß in Iten ging es noch für zwei Tage in den Nakuru Nationalpark. Nach zwei tollen Safaris mit Löwen, Nashörnern, Giraffen, Zebras und Pavianen und reichlich Entspannung am Pool ging es für uns zurück nach Nairobi zum Flughafen und wieder wieder nach hause.

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