Challenge Roth

Morgens um 5:00 Uhr in der Wechselzone bin ich eigentlich schon am Ziel meiner Träume. Endlich starte ich bei der Challenge Roth!
Und nichts kann mich jetzt noch davon abhalten.

Schon 2016, bei meinem ersten Besuch hier in Roth, hatte es mich gepackt. Das Langdistanzfieber. Zusammen mit Sven stand ich damals noch am Streckenrand und wir sahen Jan Frodeno bei seinem (erfolgreichen) Versuch zu, eine neue Weltbestzeit aufzustellen. Am Tag danach holten wir dann die Startnummer für Svens ersten Langdistanzstart. Für mich selbst war das damals noch völlig undenkbar. Aber, um ein bekanntes Epos zu zitieren:
‚So it begins!‘
Aus einem Traum wurde ein Wunsch und aus einem Wunsch ein Ziel.
2019 wagte ich mich dann tatsächlich auf meine erste Langdistanz beim Ironman Hamburg. Deswegen, weil die Strecke dort komplett flach war und ich mir die Höhenmeter in Roth noch nicht zutraute.
2020 sollte es dann in Roth soweit sein. Aber ihr wisst ja…

Nun aber ist es endlich soweit und auch Corona kann jetzt nicht mehr dazwischenkommen. Die letzten Wochen war ich genau deswegen furchtbar angespannt und schon fast paranoid. Einfach nur gesund an die Startlinie kommen! Jetzt ist es geschafft!

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Ich bin nicht aufgeregt, aber extrem emotional. Die Sonne steigt langsam über dem Kanal auf, die Ketten der Triathlonräder surren bei den letzten Checks und im Hintergrund läuft diese stimmungsvolle Musik. Gänsehaut!
Immer wieder mit Tränchen in den Augen bereite ich mein Material vor. Die übliche Pre-Race Routine.
Dann warte ich zusammen mit meinen drei Arbeitskollegen, die auch am Start sind, darauf, endlich ins Wasser zu dürfen.

Um 7:15 Uhr ist es für mich soweit. Der langersehnte Startschuss fällt.
Ich fühle mich sehr wohl und finde gleich meinen Rhythmus. Entspannt, aber kraftvoll. Hin und wieder erwische ich guten Wasserschatten, dann bin ich wieder alleine. Von Schlägen oder Tritten bleibe ich diesmal komplett verschont. Sehr schön!
Die Zeit vergeht schnell, ich komme gut voran und bis zum Ende fühle ich mich stark. Das Training mit der Gegenstromanlage hat da sicher geholfen. Die eingestellte Geschwindigkeit muss schließlich die komplette Zeit durchgezogen werden. So werde ich auch jetzt nicht langsamer, sondern bin auf den letzten 1000m nur noch am Überholen.
Vielleicht liegt es aber auch an meinem guten Training im Winter, als mich mein Trainer bis zu fünfmal die Woche ins Schwimmbad geschickt hat. Der Aufwand hat sich wohl gelohnt.

Nach 1:15:12 h steige ich aus dem Wasser und bin damit sehr zufrieden. Noch dazu bin ich komplett erholt. Wäre da etwa noch mehr drin gewesen? Hätte, wäre, wenn…Egal!
Nach einem zügigen Wechsel schwinge ich mich aufs Rad und es geht hinauf auf die Brücke. Los geht’s mit der zweiten Aufgabe des Tages…

In den Jahren zuvor war das Radfahren meist meine Lieblingsdisziplin, dieses Jahr aber war es eher eine Art Wundertüte. Es gab zwar einige sehr gute Trainingseinheiten, jedoch auch immer wieder welche, die katastrophal liefen. Diese extremen Schwankungen machten es spannend, was am Renntag möglich sein würde.

Anfangs komme ich gut ins Fahren, die erste Abfahrt ist -wie für mich eigentlich jede Abfahrt- ein Genuss und die Verpflegung wird auch nicht vergessen.
Es läuft.
Schon nach ca 20 Kilometern fühlt sich mein Nacken aber schon irgendwie sehr angestrengt an und die Position wird unangenehm. Definitiv zu früh auf einer Strecke von 180 Kilometern. Leider bleibe ich auch immer etwas unter meinen geplanten Wattwerten und der während des Rennens immer stärker werdende Wind, der gefühlt in jedem Tal so dreht, dass er wieder von vorne kommt, zehrt sowohl an Physis als auch Psyche.

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Obwohl ich keinen einfachen Tag erwischt habe, gibt es auch Lichtblicke. Die Stimmung in Greding und natürlich am Solarer Berg sind unglaublich! Als ich auf das Meer aus Menschen zufahre, komme ich aus dem Grinsen nicht heraus. Es ist überwältigend und die ganze Quälerei macht auf einmal wieder Sinn.
Trotzdem. Es fällt mir heute schwer. Auch die Hitze macht mir mehr und mehr Probleme. An jeder Verpflegungsstation wird erstmal eine Flasche zum Kühlen benutzt. Beim Ironman Frankfurt hatte ich bei Dani Bleymehl gesehen, dass sie das Wasser anstatt nur über den Rücken, hauptsächlich in die Hüftbeuge spritzt. Dies stellt sich als sehr hilfreich heraus, da das Wasser dort nicht so schnell wieder verdunstet und die Kühlung so deutlich länger vorhält.

Am Ende sind trotz meines miesen Gefühls dann die nackten Zahlen sogar einigermaßen im Rahmen.
Nach 6:25:05 h erreiche ich die Wechselzone, wo mir das Fahrrad von den besten Helfern der Welt sofort abgenommen wird. Meine größte Angst während des Rennens -eine Panne- ist mir zum Glück erspart geblieben. Jetzt steht nichts mehr zwischen mir und einem erfolgreichen Finish… jedenfalls nichts außer einem Marathon.

Nach einem erneut zügigen Wechsel geht es also auf die Laufstrecke…
Beim Loslaufen fühle ich mich ziemlich gut. Das hatte ich aber auch so erwartet, denn erstens ist man froh, vom Rad runter zu sein, und zweitens geht es nach der Wechselzone erstmal bergab. Bald merke ich aber wieder die Hitze, die mir auch schon auf dem Rad zugesetzt hat. Es sind 34 Grad und dazu ist man auf großen Teilen der Laufstrecke ohne Schatten unterwegs. Und so beginnt es am Kanal -schon vor Kilometer 10- wirklich mühsam zu werden.

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Was die ganze Sache etwas erleichtert, ist die Tatsache, dass man nicht alleine ist. Alle hier am Kanal haben mit den Bedingungen zu kämpfen. Alle…? Nicht ganz. Auf einmal schießt eine Läuferin wie der Blitz an mir vorbei „Stefffiiiiii!!!“. Silke, die für unsere ‚Liv Cycling Germany‘ Frauenstaffel unterwegs ist und mit mir auch in einer Staffel im Kraichgau gestartet ist, brüllt laut meinen Namen und feuert mich an. Das macht sie danach noch zweimal, als wir uns auf der Strecke begegnen und das so enthusiastisch, dass ich jedesmal -trotz der Anstrengung- sogar etwas Lachen muss.
Auch einige andere bekannte Gesichter sehe ich am Kanal. Astrid, die mich auch schon bei meiner ersten Langdistanz in Hamburg unterstützt und angefeuert hatte, erinnert mich dabei auf ihre charmante Art: ‚Du wolltest es doch so!‘ Ja, schon. Nur zehn Grad weniger hätten‘s auch getan.
Sven steht auch am Kanal und versucht mich zu unterstützen. Als ich ihn das erstmal passiere -bei Kilometer 16- geht es mir besonders schlecht. Nach endlosen 5 Kilometern und einem Dixiestop passiere ich ihn das zweite Mal. Etwas besser, aber nicht wirklich gut. Diesmal bekomme ich von ihm unseren vorbereiteten „Zaubertrank“.
Zwei Kilometer später rollt es wieder. Die Koffeinbombe hat ihre Wirkung getan. Außerdem komme ich wieder in den schattigen Wald. Das hilft enorm! Die Pace wird wieder etwas flotter.

In Gedanken bin ich jetzt bei Bekka, auch eine meiner Liv Teamkolleginnen. Als ich nach der Corona Infektion und meinem Radsturz im Frühjahr an einem Finish in Roth gezweifelt hatte, kam von ihr der Satz, an den ich mich nun klammere: „Steffi, du bist ein Diesel!“
Schon lustig, was einem während einer Langdistanz alles durch den Kopf schießt und an welchen Dingen man sich wieder hochziehen kann, aber solange es funktioniert… wie ein zuverlässiger Diesel „rolle“ ich durch den Wald und an der berühmten Apotheke vorbei.

Erst in Roth wird es wieder schwieriger. Aber jetzt ist es nur noch eine Trainingsdistanz. Nach Büchenbach und zurück gibt es ein paar Anstiege. Am steilsten davon gehe ich kurz… das hatte ich vorher nur an den Verpflegungsstellen gemacht, um mich gut zu versorgen. Dann trabe ich aber wieder weiter. Dauert ja sonst noch länger.

Es geht ein letztes Mal an der Apotheke vorbei und mir kommen dabei zum ersten Mal die Tränen. Gleich ist es geschafft.
Kurz später biege ich wirklich in den Zielkanal vor dem Stadion ein.

Ins voll besetzte Rother Stadion einzulaufen, ist unglaublich. Wie schon in Hamburg vor drei Jahren fühlt es sich an, als ob alle nur für mich applaudieren. Die Stimmung ist gigantisch! Ich genieße die letzten Meter im Rennen.

Aber lohnt es sich wirklich, sich für diese 30 Sekunden im Stadion den ganzen Tag abzustrampeln?
Ich bin mir sicher, jeder Finisher wird eindeutig antworten… JA!
Es ist, als ob sich die Emotionen über den ganzen Tag im inneren angestaut hätten und die Schleusen nun endlich geöffnet werden.
Dieses Gefühl…

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Ich bin wirklich in Roth und überquere die Ziellinie!
Im Ziel steht Katharina als Helfer und überreicht mir meine Medaille. Ich falle ihr um den Hals und bin erstmal überwältigt. Was für ein Gefühlschaos!
Der Traum… das Ziel, auf das ich seit sechs Jahren gewartet habe, ist endlich erreicht.

Ich bin Finisher der Challenge Roth.

Danke an alle, die mir beim Erreichen meines großen Ziels geholfen haben!

Was jetzt?!
Die Vorbereitung dieses Jahr war ziemlich mühsam und jedem, der es hören wollte (oder auch nicht), hab ich mitgeteilt, dass das mit Sicherheit meine letzte Langdistanz ist. Roth war das, was ich immer wollte und das ist ja jetzt geschafft.
Naja… im nächsten Jahr wird es definitiv keine Langdistanz geben. Vielleicht kann ich ja auf die halbe Strecke mal ein bisschen Tempo drauf legen.
Ich denke aber 2024 ist ein sehr gutes Jahr für die nächste Langdistanz.
Oder was meint ihr?

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